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Fachforum I

Kinder und Familien wahrnehmen und mitnehmen: Frühkindliche Bildungsangebote zielgruppengerecht anbieten

Die Bedeutung von Familien als Lern- und Bindungsorte für Kinder ist unumstritten. Daher ist die Begleitung von Eltern eine zentrale Aufgabe präventiver Familienförderung. Allerdings stellen Zu- und Wegzug von Familien bei Planung und Umsetzung der Angebote in der frühen Bildung und der Familienbildung eine Herausforderungen dar.

Ausgehend von der Frage, welche Handlungsspielräume sich durch ein datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement ergeben, stellten der Landkreis Fulda und die Stadt Baunatal jeweils ihre Ausgangssituation und ihre Strategie für den frühkindlichen Bereich vor. Im Landkreis Fulda geht eine der hessenweit niedrigsten Arbeitslosenquoten mit einem deutlichen Fachkräftemangel und einer insgesamt wachsenden Bevölkerung einher. Bildungsmanager Matthias Feuerstein unterstrich daher auch die Bedeutung kommunaler Aktivitäten im Bereich des Familienzuzugs und der Fachkräftesicherung. Hierbei übernehme das Bildungsbüro eine zentrale Funktion als Dienstleister, Impulsgeber, Berater, Netzwerker und Planer. Im Bereich der Elternbildung setze die Kommune verstärkt auf niedrigschwellige Angebote: So seien vor allem Familienzentren ausgebaut und das Netzwerk "EVA" (Erziehung von Anfang an) unterstützt worden. Hierbei gehe es um eine engmaschige Kooperation von Ärzten, Beratungsstellen, Gesundheitsamt, Hebammen, Kliniken und vielen weiteren Akteuren, die in den frühen Lebensaltern vor Ort beteiligt seien. Insgesamt biete die gute Bevölkerungsentwicklung neue Möglichkeiten. Dabei werde der Zuzug junger Familien auch künftig im Mittelpunkt stehen. Darüber hinaus müsse die Kommune dafür sorgen, dass Bildungsangebote zunehmend in die Fläche getragen würden.

Als größte kreisangehörige Kommune im Landkreis Kassel mit einem eigenen VW-Standort ist Baunatal insgesamt eine wohlhabende Stadt. Dabei profitiert sie zudem von der Nähe zu Kassel. Trotzdem ist die Einkommenssituation der Bevölkerung durch starke soziale Disparitäten gekennzeichnet. Zuletzt verzeichnete sie ein starkes Bevölkerungswachstum infolge der Ansiedelung junger Familien. Dabei ist die Stadt indirekt "Opfer ihres eigenen Erfolgs" geworden: Nach Darstellung von Frank Grasmeier von der Kommunalen Bildungsplanung der Stadt Baunatal konnten viele Familien aus dem näheren Umland mit einer offensiven Bildungsstrategie gewonnen werden, in deren Zentrum ein breites und ansprechendes Betreuungsangebot stehe Ausschlaggebend sei hierbei u.a. die Gebührenfreiheit der überwiegend kommunalen Kitas gewesen, die sich als "knallharter Standortvorteil" erwiesen hätten. Entsprechend stark sei dadurch jedoch auch die Nachfrage an Bildungs- und Betreuungsangeboten gestiegen, insbesondere bei der Hortbetreuung. Für die Zukunft wolle die Stadt mit ihrem Projekt "Ganztag 2025" daher in erster Linie ihre Angebote für Grundschulkinder weiter ausbauen. Ein besonderes Augenmerk werde dabei auf der sozial-emotionalen Entwicklung der Kinder liegen. Des Weiteren solle die Umsetzung von Inklusion im pädagogischen Alltag gestärkt, die Kooperation zwischen den Beteiligten der Bildungslandschaft intensiviert sowie die Integration neu Zugezogener weiter ausgebaut werden.

Impuls Landkreis Fulda Fotoprotokoll (PDF 1,2MB)

Impuls Stadt Baunatal "Kommunale Bildungsplanung in Baunatal"
(PDF 343KB)

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Fachforum II

Wissen halten und vermehren: Fachkräftesicherung

Welche Möglichkeiten haben Stadt und Land, Einfluss auf demografische Entwicklungen wie die Alterung der Bevölkerung, den Rückgang des Anteils an Personen im erwerbsfähigen Alter oder den Wegzug junger Menschen zu nehmen? Wie können damit Fachkräfte für eine Region nachhaltig gehalten werden und welche Rolle spielt eine abgestimmte Bildung dabei?

Diese Fragen diskutierte die Transferagentur Hessen mit Günther Bachmann, Leiter der Abteilung Statistik und Stadtentwicklung der Stadt Darmstadt und Thomas Schaumberg, Geschäftsführer der Vogelsberg-Consult Gesellschaft für Regionalentwicklung und Wirtschaftsförderung mbH. Beide Experten sind langjährige Akteure in Ihrer Region und haben umfangreiche Einblicke in die Ausgangslage, Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten der jeweiligen Kommune gegeben. Mit der Stadt Darmstadt und dem Vogelsbergkreis waren hierbei zwei Kommunen vertreten, die die Unterschiedlichkeit der Problemlagen in verschiedenen Regionen im Rahmen demographischer Entwicklungen widerspiegeln – eine wachsende "Schwarmstadt", besonders im Technik- und Wissenssektor zuhause, und ein Kreis, der mit ländlichen Strukturen und (Bildungs-)Abwanderung umgehen muss.

Darmstadt könne mit dem Konzept der Wissenschaftsstadt wissensbasierte Organisationen und Unternehmen anziehen, die keine größeren Schwierigkeiten bei der Personalgewinnung haben. Von Fachkräftemangel, auch unterhalb einer akademischen Ausbildung, seien eher kleine und mittelständische Unternehmen betroffen. Das seit 2015 sich entwickelnde Bildungsmanagement stärke, in Verbindung mit dem Rückhalt durch die politische Spitze, den Zusammenhalt und die Koordination von städtischer Bildungspolitik, so der Statistiker Bachmann. Darmstadts "Stärke" habe, wie am Beispiel der Berufsschullandschaft erläutert, einen "Staubsauger-Effekt" auf andere Regionen, der bis in den Odenwaldkreis zu spüren sei.

Die sozioökonomischen Merkmale stellten sich im Vogelsbergkreis anders dar, so Schaumberg. Dort sind drei Großunternehmen und mehrere KMUs in der Elektrobranche angesiedelt. Die Anzahl von Einpendlern übersteige diejenige der Auspendler. Der Mangel von ca. 4000 Fachkräften stelle eine spürbare Wachstumsbremse dar und junge Menschen, insbesondere junge Frauen, wanderten ab. Die Vogelsberg-Consult bietet aus einer Hand Beratung zu Wirtschaftsförderung, Existenzgründung und zur Förderung von Ausbildungsplätzen an. Die Ausbildungsplatzförderung diene auch dazu, dem Rückgang von Berufsschülern und Berufsschulklassen entgegenzuwirken. In dem Zusammenhang betonten beide Experten die als problematisch anzusehenden Vorgaben des Kultusministeriums zur Besetzung von Berufsschulklassen in Bezug auf ihre regionalpolitischen Folgen, wenn junge Menschen für den Berufsschulbesuch abwandern.

Die beiden Kommunalvertreter betonten die Bedeutung der Berufsschulstandorte für eine Region und in dem Zusammenhang eine stärkere Kooperation von Bildungsakteuren, um einer "Kannibalisierung" ländlicher Regionen gegenüber den Städten entgegenzuwirken. Entsprechend sehe Herr Schaumberg für die Zukunft Instrumente der Regionalentwicklung als bedeutsam an, die ein ständiges Wachstum der Städte zugunsten der ländlichen Regionen eindämme. Darüber hinaus betonten beide Referenten die grundlegende Bedeutsamkeit einer zügigen Implementation von politischen Maßnahmen auf aktuelle und absehbare gesellschaftliche Entwicklungen.

 

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Fachforum III

Veränderungen sehen und gestallten: Integrierte Schulentwicklung

Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf regionale Schulentwicklung sind schon lange auf der Agenda von Schulpolitik und -planung. Die regionale Ausgangssituation ist jedoch häufig sehr unterschiedlich und verändert sich stetig. In den letzten Jahrzehnten ging es dabei um quantitative Veränderungen und Prognosen über Schülerzahlen und damit zusammenhängend um notwendige Veränderungen der Schulorganisation und Sicherung oder Neuentwicklung von Schulstandorten. Festzustellen ist, dass aktuell weniger das Thema der Sicherung als vielmehr der Ausbau von Schulstandorten diskutiert wird. Neben quantitativen Veränderungen in den Schülerzahlen spielt die Betrachtung der sozialstrukturellen Situation eine große Rolle. Die zentrale Frage des Forums war, wie bildungs- und schulpolitische Herausforderungen aus kommunaler Sicht bearbeitet werden können und welche Rolle dabei ein datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement spielen kann.

Trotz verschiedener Rahmenbedingungen werden in den drei impulsgebenden Kommunen teilweise ähnliche Schwerpunkte gesetzt. Monika Käseberg, Leiterin des Fachdienst regionale Bildungsplanung, Ganztag und Jugendberufshilfe im Kreis Groß-Gerau, erläuterte, wie die Schulentwicklungsplanung versuche, den besonderen soziostrukturellen Bedingungen im Landkreis Rechnung zu tragen: Einerseits sei der Kreis zwar ländlich geprägt; andererseits sei er durch städtische Strukturen und Herausforderungen wie niedrige Einkommen sowie einen hohen Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund gekennzeichnet. Daraus habe die Kommune für sich ein "Bildungsprimat" abgeleitet und mit flächendeckender Schulsozialarbeit, der Umwandlung von Schulkindbetreuung in Ganztagsangebote und einer gemeinsamen Planung mit den Standortkommunen Maßnahmen beschlossen, die deutlich über die gesetzliche Aufgabe des Raumangebots hinausgingen. Im Rahmen der Teilnahme am Förderprogramm "Bildung integriert" ab kommendem Jahr setze man insbesondere auf den Ausbau des kommunalen Bildungsmonitorings, das eine Zusammenführung verschiedener Datengrundlagen ermögliche.

In der Landeshauptstadt Potsdam wiederum hat sich die demografische Situation seit neuestem stark verändert: Als Großstadt im Berliner "Speckgürtel" sieht sie sich aktuell mit einem erheblichen Bevölkerungszuwachs konfrontiert, nachdem sich die Nachwendejahre eher durch einen Geburtenknick und abnehmende Schülerzahlen auszeichneten. Die Potsdamer Bildungsmanagerin Dr. Jutta Laukart unterstrich daher die Möglichkeiten kommunaler Steuerung bei der Konzeption und Planung von Neubaugebieten: Dabei werde die Umsetzung eines sog. "Campuskonzepts" angestrebt, das eine multifunktionale Nutzung von Schulbauten und Zweigstellen städtischer Bildungs- und Beratungseinrichtungen beinhalte. Diese Schulen hätten dann eher die Eigenschaft von Stadtteilschulen, in denen beispielsweise Grundschule, Kita und Angebote außerschulischer Bildung wie bspw. Musikschulen an einem gemeinsamen Standort zusammengefasst seien. Damit würde klassische Schulentwicklungsplanung durch sozialräumliche Planungsansätze ergänzt. Eine gut abgestimmte Zusammenarbeit der verschiedenen Einrichtungen müsse jedoch erst noch geschaffen werden.

Franz Meißner vom Amt für Schule und Bildung aus der Stadt Heidelberg berichtete von einer ähnlichen Bevölkerungsentwicklung: Angesichts einer Bevölkerungszunahme seien auch hier neue Wohngebiete ausgewiesen worden. Ein gutes Beispiel für eine integrierte Planung sei in diesem Kontext das neue "Bahnstadt"-Viertel, das ebenfalls auf einem Campuskonzept mit Kita, Grundschule und Gemeindezentrum mit angeschlossenem Sonderpädagogischem Beratungszentrum (SPZ) aufbaue. Auf der Verwaltungsebene dominiere jedoch nach wie vor ein Nebeneinander von unterschiedlichen Monitoringsystemen und Betrachtungsweisen. Er plädiere daher für eine Überwindung von Versäulung bzw. starren Zuständigkeitsgrenzen, insbesondere auf Leitungsebene, hin zu einer gesamtstädtischen Kooperationskultur. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass vor allem die Orientierung am Sozialraum und der bereichs- und zuständigkeitsübergreifenden Kooperation von besonderer Bedeutung sind.

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Fachforum IV

Jung und Alt abholen:
Ideen und Ansätze zu Weiterbildungsangeboten

Welchen Herausforderungen sehen sich kommunale Bildungsorganisationen gegenüber und mit welchen Strategien gelingt es ihnen, "Bildung für alle" einzulösen? Diesen und weiteren Fragen widmete sich Dr. Christoph Köck, Verbandsdirektor des Hessischen Volkshochschulverbands e.V. im Forum. Volkshochschulen müssen zukünftig sowohl mit kleineren Gruppen, spezifischeren Bedarfen als auch mit einem anderen Lernverhalten rechnen. Dies gilt für Erwachsenenbildung im ländlichen Raum als auch in Städten. Öffentliche Bildungsanbieter stehen zugleich vor der Herausforderung, gut erreichbar zu sein und den Zugang zu Bildungsangeboten niedrigschwellig zu gestalten. Mit Bezug auf eine Studie des Sächsischen Volkshochschulverbands (Stephan Beetz, Pauline Bender, Friederike Haubold (2018): Erwachsenenbildung im ländlichen Raum) nannte Dr. Köck drei strategische Optionen, mit denen Bildungsorganisationen den neuen Bildungsanforderungen entsprechen können: Erstens die Vernetzung von Bildungsakteuren, bei der Ressourcen, Wissensbestände und Lernräume zusammengebracht werden, zweitens die Beteiligung von Politik und Bevölkerung an der Bildungsplanung und drittens die Entwicklung eines neuen Bildungsklimas im Sinne einer Ermöglichungskultur von individuellem und gesellschaftlichem Lernen und dem Schaffen attraktiver Lernräume.

An einigen Beispielen aus dem ländlichen Raum zeigte Dr. Köck, welche Wege hessische Volkshochschulen eingeschlagen haben, um "Nähe" zur Bevölkerung herzustellen: die Verbindung von Online- und Präsenzlernen, die Stärkung der Organisation durch Verbünde, die Einbeziehung von Experten in die Bedarfserhebung, eine dezentrale Bildungsplanung, Dezentralität auch bei Lernorten – dies sind einige Beispiele für eine "VHS in der Fläche". Im städtischen Raum wurden "Bildungshäuser" eingerichtet mit einer Verbindung von VHS und Bibliothek, überregional werden vernetzte Lernumgebungen zur Verfügung gestellt, die Lernen in Kooperation ermöglichen. Insgesamt geht der Trend dahin, zu schauen, wo überall Erwachsenenbildung stattfindet und mit diesen Lernorten zu kooperieren, neben "Komm-Strukturen" auch Vernetzungs-Strukturen anzubieten und die Zielgruppenorientierung mit Community-Building zu ergänzen. Zusammenfassen lässt sich diese Entwicklung unter dem Motto "Bildung mit möglichst Vielen" statt "Bildung für alle". Durch dieses Ansetzen an der Lebenswirklichkeit im Gemeinwesen, eine zivilgesellschaftlich orientierte Bildungsarbeit und das Aufgreifen regionaler Themen wandelt sich die Volkshochschule vom Bildungsanbieter zur sozial- und Gemeinwesen orientierten Vermittlungs-, Kooperations- und Vernetzungsagentur. Dies bietet die Chance, sich deutlicher in der Region zu positionieren und auch eine stärkere Rolle in der Diskussion um die Zukunft des ländlichen Raums einzunehmen.

Impuls Hessischer Volkshochschulverband e.V. "Jung und Alt abholen(?) - Ideen und Ansätze zu Weiterbildungsangeboten" (PDF 5,8MB)

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