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Weiterbildungsbericht Hessen 2021 – das sind die wichtigsten Erkenntnisse

Ende letzten Jahres wurde der Hessische Weiterbildungsbericht 2021 als Nachfolge des Berichts von 2015 vom Hessischen Kultusministerium veröffentlicht.

Der neue Weiterbildungsbericht verdeutlicht Entwicklungstendenzen und zeichnet Zukunftsperspektiven der vielfältigen hessischen Weiterbildungslandschaft auf. Zudem gibt er fachliche Impulse und Denkanstöße für die qualitative Fortentwicklung des lebensbegleitenden Lernens in Hessen und lädt zu vertieften Diskussionen ein.

Das aktuelle Themenheft der Hessischen Blätter für Volksbildung (HBV) skizziert Ergebnisse und Anknüpfungspunkten vom Weiterbildungsbericht für erziehungswissenschaftliche Forschung und kommentiert den Bericht aus Sicht zentraler Akteure. Im Editorial des Themenhefts wird der Bericht als wichtiges Instrument zur systematischen Erfassung, Beschreibung und Dokumentation von Entwicklungen, Tendenzen sowie derzeitigen Herausforderungen im Bildungssystem und seinen Teilsektoren bezeichnet und wird darüber hinaus als beispielhaft für eine Bildungsberichterstattung bewertet.

Anhand einer Kombination aus quantitativen und qualitativen Erhebungs- und Auswertungsmethoden untersucht der Weiterbildungsbericht die Möglichkeiten bildungsbezogener Teilhabe von Erwachsenen in Hessen. Der tiefgreifende gesellschaftliche Wandel, beeinflusst unter anderem durch die Corona-Pandemie, wird als maßgeblicher Gestaltungsrahmen für das Weiterbildungssystem thematisiert. Nach wie vor seien Ausbau und Verstetigung des lebensbegleitenden Lernens für alle Bevölkerungsgruppen eine große bildungspolitische Herausforderung in Hessen und darüber hinaus.

Bekannte Themen und neue Trends

Der Bericht nimmt zunächst die regionalen und inhaltsbezogenen Entwicklungen in der hessischen Weiterbildungslandschaft in den Blick. In Bezug auf die Systemstruktur vor Ort wird das Ergebnis des letzten Weiterbildungsberichts bestätigt: ein Stadt-Land-Gefälle besteht immer noch, wobei die urbanen Zentren eine viel höhere Anbieterdichte als die ländlichen Gebiete aufweisen.

Bemerkenswert ist auch die Tendenz zu kürzeren Veranstaltungsformaten bei einer relativ stabilen Teilnehmerzahl, was zum Teil auf die Verlagerung von Angeboten in den digitalen Raum zurückzuführen sein könne. Im Gegensatz dazu sei nach Ende der harten Pandemie-Einschränkungen eine Rückkehr zu Präsenzformaten zu beobachten.

Es fällt außerdem auf, dass sich der Anteil der Bundesmittel in der Weiterbildung seit 2015 mehr als verdoppelt hat und er nun ein Drittel des Gesamtbudgets der hessischen Volkshochschulen ausmacht. Dafür sprechen vor allem die Statistiken über die Bezuschussung der hessischen Volkshochschulen aus öffentlichen Mitteln. Doch die durch den Bund zur Verfügung gestellten Mittel fließen vor allem in ein Teilsegment des Angebots – nämlich in die Integrationskurse, die im Zuge der starken Migrationsbewegungen seit 2015 an Bedeutung gewonnen hätten. Entsprechend führe diese Finanzierungsstruktur zu inhaltsbezogenen Strukturveränderungen und dem Zuwachs an Integrationskursen im Unterschied zu anderen Programmbereichen.

Der Alphabetisierungs- und Grundbildungsbedarf bleibe weiterhin recht hoch, obwohl auch er nicht mit einer Nachfrage belegt sei. Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht betrachten die Hessischen Blätter die Frage, wie Adressat*innen besser erreicht werden können. Insbesondere sollen in diesem Zusammenhang die möglichen biografischen Lernwiderstände und strukturellen Hindernisse, Gelingensbedingungen für Kooperations- und Vernetzungsstrukturen wie auch die Qualitätssicherung weiter diskutiert und erforscht werden (vgl. Alphabetisierung und Grundbildung in Hessen / Birte Egloff).

Die Teilnahmequote von Migrant*innen steige nach und nach an – vor allem bei Angeboten der allgemeinen Erwachsenenbildung – ihre Beteiligung an Weiterbildung insgesamt bleibe trotzdem sehr gering.

Dies verdeutlicht die seit Jahren bestehende Beteiligungssituation: in Hessen sind es nach wie vor überwiegend vollbeschäftigte Erwachsene mit deutscher Staatsangehörigkeit und akademischem Abschluss in der mittleren Alterskohorte, die an Weiterbildungen teilnehmen. Was die regionale Dimension der Weiterbildungsbeteiligung anbelangt, so seien seit 2015 auch ein stabiles Nord-Süd-Gefälle und ein Stadt-Land-Gefälle zu beobachten.

Weiterbildungspakt: gelungen, zukunftsweisend

Der Weiterbildungspackt als neues Koordinierungs- und Steuerungsinstrument werde von Expert*innen der hessischen Weiterbildung positiv aufgenommen. Diese positive Einstellung wird in den Stellungsnahmen der Hessischen Blätter noch einmal bekräftigt, allerdings mit der kritischen Anmerkung, dass dadurch nicht alle Finanzierungslücken geschlossen werden könnten und die strukturelle Unterfinanzierung der Weiterbildung immer noch sehr ausgeprägt sei. Dennoch würde er als ein wichtiges Signal für ein verstärktes Engagement und ein klares Bekenntnis der politischen Entscheidungstragenden des Landes zu ihrer Verantwortung für die Weiterbildung gewertet. Auch die Förderschwerpunkte würden richtig differenziert: so sei die Stärkung des digitalen Angebotsspektrums durch den Weiterbildungspakt gerade in der Pandemie besonders hilfreich gewesen.

Bei der Analyse wurde jedoch auch deutlich, dass Projekt- und Regelstruktur der Organisationen weithin entkoppelt seien. Das führe letztlich dazu, dass Expertise und Kompetenzen, die im Rahmen der Projekte aufgebaut werden, den Organisationen nach Projektende mehrheitlich nicht mehr zur Verfügung stünden. Mit Blick auf Projektergebnisse zeigt die Analyse hingegen, dass die Mehrheit der Projekte für deren Verstetigung und Fortbestand innerhalb und außerhalb ihrer Organisationen sorgt.

Perspektiven und Empfehlungen

Der Weiterbildungsbericht formuliert Empfehlungen in vier Entwicklungsfeldern des hessischen Weiterbildungssystems, die jeweils spezifische Herausforderungen aufweisen: Erstens sei es notwendig, regionale Netzwerke zwischen den verschiedenen Akteuren der Politik, Wirtschaft, Arbeits- und Kommunalverwaltung und den Weiterbildungsträgern zu fördern sowie den ländlichen Raum zu stärken. Zweitens sollten die neuen erweiterten Netzwerkstrukturen in politischer Bildung und Grundbildung erkundet werden, denn berufliche Weiterbildung sei auf die Verzahnung mit Akteuren aus anderen Bildungs- und Gesellschaftsbereichen angewiesen. Drittens sollten strukturelle Herausforderungen und Unterstützungsbedarfe (wie Digitalisierung, oder Kompetenzen im Projektmanagement) einbezogen werden, um die Träger- und Angebotsvielfalt in der Weiterbildung zu fördern. Viertens sollten die Finanzierungsmodelle an den Bedarfen ausgerichtet werden. Insbesondere Projekt- und Regelförderung sollten ausbalanciert, die Fördersätze für Unterrichtsstunden und Teilnehmendenstunden erhöht und die Angebote zur Ermöglichung gesellschaftlicher Teilhabe – vor allem für von sozialer Exklusion bedrohte Gruppen – stärker gefördert werden.

Die Handlungsempfehlungen zur Finanzierung finden in den Stellungnahmen der Hessischen Blätter besonderen Anklang. Langfristige und zukunftssichere Regelfördersätze seien als entscheidend für die Gewährleistung der institutionellen Vielfalt und einer regionalen Bildungsinfrastruktur angesehen.

Der nun veröffentlichte Bericht ist der vierte Hessische Weiterbildungsbericht, den das Landeskuratorium für Weiterbildung und Lebenslanges Lernen gemeinsam mit dem Hessischen Kultusministerium herausgibt. Das Hessische Weiterbildungsgesetz hält seine regelmäßige Erstellung, in der Regel alle vier Jahre, als bildungspolitische Aufgabe fest. Der Bericht soll dementsprechend qualitative und quantitative Aussagen zur Zielerreichung dieses Gesetzes treffen. Der Weiterbildungsbericht 2021 wurde von einem interdisziplinären Kollektiv aus vier Autor*innen verfasst: Dr. Birte Egloff (Universität Frankfurt am Main), Jun.-Prof. Dr. Dörthe Herbrechter (Universität Heidelberg), Prof. Dr. Michael Schemmann (Universität Köln) und Prof. Dr. Bernhard Schmidt-Hertha (Universität München).

Der Weiterbildungsbericht Hessen 2021 steht auf der Homepage des Hessischen Kultusministeriums zum Download bereit. Dort besteht auch die Möglichkeit Druckexemplare kostenfrei zu bestellen.

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Das gesamte Themenheft 1/2023 der Hessischen Blätter für Volksbildung steht auf der WBV-Website zum Download bereit.

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