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Bildung wird digitaler und flexibler

8. Nationaler Bildungsbericht erschienen

Wohin entwickelt sich das Bildungssystem in der Bundesrepublik? Diese und viele weitere Fragestellungen greift der achte Bildungsbericht "Bildung in Deutschland 2020" auf, der am 23.06.2020 gemeinsam von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig, der diesjährigen Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), sowie von Prof. Dr. Kai Maaz (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation) als Sprecher der Autorengruppe vorgestellt wurde. Aktueller Schwerpunkt des zweijährlich veröffentlichten Berichts ist das Thema "Bildung in einer digitalisierten Welt". Wie bereits in vorherigen Berichtsjahren sind hierin sowohl Fortschritte als auch Defizite des deutschen Bildungswesens dokumentiert. Als zentrale Erfolge sind in erster Linie die zunehmende Digitalisierung in allen Bildungsbereichen sowie eine große Vielfalt an Bildungswegen zur späteren Erlangung von höheren Bildungsabschlüssen zu nennen.
 

Höhere Bildungsausgaben, höhere Abschlüsse, mehr Bildungsteilnehmende, Lehrkräfte und Ganztagsangebote

Eine weitere positive Entwicklung stellt die Steigerung der Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung insgesamt dar, und zwar um ca. 30 Prozent im Vergleich der Jahre 2018 gegenüber 2010. Auch die Zahl der Teilnehmenden an Bildungsangeboten hat sich merkbar erhöht. Diese Zunahme ist nicht nur auf steigende Geburtenjahrgänge und Zuzüge aus dem Ausland, sondern auch auf eine früher einsetzende Bildungsbeteiligung und einen globalen Trend zur Höherqualifizierung zurückzuführen. So nahmen 2019 immerhin 3,3 Millionen Kinder Angebote früher Bildung wahr, wohingegen dies 2006 erst 2,6 Millionen Kinder taten. In den zurückliegenden zehn Jahren ist zudem der Bildungsstand der Bevölkerung insgesamt gestiegen: Während 2008 noch 24 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren eine Hochschulreife erlangt hatten, waren es 2018 bereits 33 Prozent. Im selben Zeitraum nahm ferner der Anteil der Absolventen und Absolventinnen mit Hochschulabschlüssen um fünf Prozentpunkte auf 18 Prozent zu. Darüber hinaus waren zwischen 2010 und 2018 zunehmend mehr Menschen im Bildungswesen beschäftigt, insbesondere in den Bereichen der frühen Bildung und an den Hochschulen. Hinzu kommt, dass 2018/19 knapp 20.000 Lehrkräfte mehr an allgemeinen und beruflichen Schulen unterrichteten als noch vor zehn Jahren, obwohl die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in diesem Zeitraum zurückging. Dabei erhöhte sich in den letzten fünfzehn Jahren der Anteil der Lehrkräfte unter 40 Jahren um zehn Prozent. Ebenfalls positiv fallen die Ausweitung und Nutzung der Ganztagsbetreuung auf: Während im Schuljahr 2018/19 schon 68 Prozent aller Schulen als Ganztagsschulen ausgewiesen waren, hielten im Schuljahr 2005/6 nur 30 Prozent aller Schulen dieses Angebot vor. In Summe nutzte 2018/19 in etwa die Hälfte aller Grundschulkinder Angebote der Ganztagsbetreuung in Schulen oder Kindertageseinrichtungen.
 

Große Unterschiede beim Zugang und Einsatz digitaler Medien sowie beim Bildungsstand/ Wieder mehr Schulentlassene ohne Abschluss

Selbst wenn mittlerweile digitale Technologien integraler Teil des Bildungs- und Lebensalltags geworden sind, bestehen weiterhin große Differenzen sowohl im Hinblick auf individuelle als auch auf strukturelle Zugänge zu digitalen Werkzeugen. Hierbei spielen beispielsweise die soziale Lage oder regionale Faktoren eine wichtige Rolle. Demzufolge unterscheiden sich ebenfalls die digitalen Kompetenzen der Bildungsteilnehmenden signifikant voneinander: Weniger leistungsstark zeigten sich hier insbesondere Jungen sowie Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund und aus Familien mit geringem sozialen Status. Überdies wurden digitale Medien zwar im Hochschul- und Weiterbildungsbereich häufig angewendet, dafür aber weitaus weniger im Schul- sowie im Bereich der frühen Bildung. Vor diesem Hintergrund stellt der Bericht große Entwicklungsbedarfe bei der Ausstattung von Schulen sowie Einrichtungen der frühen Bildung mit digitalen Technologien fest. Des Weiteren hängt der erfolgreiche Einsatz digitaler Medien stark davon ab, wie Lehrende sie in die jeweilige Lernsituation einbinden. Neben der ungleichen Entwicklung der Digitalisierung an den Bildungseinrichtungen zeichnet sich erneut ein negativer Trend bei den Schulentlassenen ab. So verließen im zurückliegenden Berichtszeitraum wieder mehr junge Menschen das Schulsystem ohne einen formalen Abschluss. Hinzu kommen Unterschiede zwischen jungen Männern und Frauen, da erstere vielfach über eine formal niedrigere Qualifikation verfügen als ihre Altersgenossinnen.
 

Hessen: Hoher Akademikeranteil, aber mehr Kinder von finanziellen Risikolagen betroffen

Der Nationale Bildungsbericht untersucht außerdem die Lage in den Bundesländern und berücksichtigt dabei auch regionale Besonderheiten. Hessen hebt sich insbesondere mit seiner relativ hohen Akademikerquote positiv ab: Nach den Stadtstaaten Berlin und Hamburg liegt Hessen mit einem Anteil von 33 Prozent an dritter Stelle gleichauf mit Bremen. Diese Zahl ist neben der Sogwirkung der Hochschulstandorte wohl vor allem auf die starke Bedeutung hochqualifizierter Dienstleistungen zurückzuführen, die sich in hohen Anteilen an Beschäftigten in kaufmännischen und unternehmensbezogenen Dienstleistungen niederschlägt. In diese Betrachtung sind jedoch auch Menschen miteinzubeziehen, die für eine Qualifizierung oder einen Arbeitsplatz umgezogen sind. Auch dem Negativtrend der steigenden Schulabgänge ohne formalen Abschluss kann sich Hessen entziehen, da hier die Entwicklung stagniert. Weniger positiv gestaltet sich hingegen die Situation für Kinder aus Familien mit Risikolagen: Wie bereits im Vorgängerbericht 2018 ist auch im vorliegenden Bericht die Anzahl der Kinder unter 18 Jahren aus Familien gestiegen, die von einer finanziellen Risikolage betroffen sind. Von einer finanziellen Risikolage spricht man, wenn das Haushaltseinkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze liegt. Der Bericht weist für Hessen eine Steigerung von mindestens drei Prozentpunkten gegenüber dem Berichtsjahr 2008 aus. Außer in Hessen ist eine derartige Entwicklung nur noch in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein festzustellen. Damit handelt es sich weiterhin um die am weitesten verbreitete Risikolage. Dabei steigt das Risiko deutlich mit der Anzahl der Kinder pro Haushalt an. Im hessischen Elementarbereich zeichnet sich insgesamt ein gemischtes Bild ab: Positiv fällt auf, dass 2019 unter dem beschäftigten Fachpersonal der Prozentsatz der fachlich einschlägigen Hochschulabschlüsse mit 10 Prozent spürbar höher lag als in anderen Bundesländern. Gleichzeitig wies Hessen jedoch mit 11 Prozent einen etwas höheren Anteil an Personen auf, die über keine abgeschlossene Ausbildung verfügten. In diesem Kontext kann zudem darauf verwiesen werden, dass Hessen nach den ersten Planungen Ende 2019 die zusätzlichen Bundesmittel aus dem "Gute-KiTa-Gesetz" vor allem für den Personalbedarf und die Verbesserung der Betreuungsschlüssel zu verwenden beabsichtigte. Diese Investitionen scheinen vor dem Hintergrund der signifikant gestiegenen Anzahl der Kinder mit Deutsch als Zweitsprache gerade in Hessen besonders relevant zu sein. Dies betrifft insbesondere die Kinder, die erst in den Kindertageseinrichtungen regelmäßig mit der deutschen Sprache in Berührung kommen. Dies traf 2018 in Hessen auf rund jedes dritte Kind in der Gruppe der 3-6-jährigen zu; in einigen Regionen Hessens wie dem Rhein-Main-Gebiet lernte mehr als jedes dritte bis mehr als jedes zweite Kind Deutsch in erster Linie in der Kindertageseinrichtung.

Der seit 2006 alle zwei Jahre erscheinenden Bildungsbericht wird von einer unabhängigen Wissenschaftlergruppe unter Federführung des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation erarbeitet. Hieran beteiligt sind das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V. (DIE), das Deutsche Jugendinstitut (DJI), das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), das Soziologische Forschungsinstitut an der Universität Göttingen (SOFI) sowie das Statistische Bundesamt (Destatis) und die Statistischen Ämter der Länder (StLÄ). Die besondere Bedeutung des Bildungsberichts liegt darin, die verschiedenen Bildungsbereiche von Bildung im Lebenslauf gestützt auf vorab definierte Merkmale in ihrem Zusammenhang und über größere Zeiträume darzustellen. Somit können übergreifende Herausforderungen im deutschen Bildungssystem sichtbar gemacht werden.

Weitere Informationen zum Nationalen Bildungsbericht auf den Internetpräsenzen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des DIPF:

Mehr Informationen zum Thema auf der Website der Transferagentur Hessen:

Meldung zum Bildungsbericht 2018 vom 09.07.2018

Meldung zum Bildungsbericht 2016 vom 30.06.2016

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