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Bildungsdaten: Wozu und Warum?

Häufig bestehe in den Kommunen Konsens darüber, dass Bildungsmonitoring zwar unverzichtbar sei, ihnen aber der Einstieg in das Thema weiterhin schwer falle, so Dr. Rainer Heinz in der Anmoderation des Interviews. Eine Verständigung über Prioritäten  sei jedoch unabdingbar, um der Gefahr sinnloser Datensammlerei zu entgehen. Das Beispiel der Schulsozialarbeit von Wiesbaden diene gut dazu, wie sich auf einem Teilfeld des kommunalen Bildungsgeschehens eine erfolgreiche Bildungsberichterstattung etablieren lasse. Dementsprechend zielt die erste Frage an Heiner Brülle, Abteilungsleiter Grundsatz und Planung im Amt für Soziale Arbeit in der Stadt Wiesbaden, auf die Entwicklung der Schulsozialarbeit in Wiesbaden und auf seine hiesige Tätigkeit als "Datenmanager". Heiner Brülle skizziert daraufhin zunächst, wie die Schulsozialarbeit in Wiesbaden seit Mitte der 70er Jahre aufgebaut wurde: Zunächst ging es um die flächendeckende Einführung der Schulsozialarbeit an allen Schulen, die einen Hauptschulabschluss vergeben, an allen Förderschulen für Lernbeeinträchtigte und an allen beruflichen Schulen. Neben der flächendeckenden Grundversorgung wurde die Sicherung eines pädagogisch angemessenen Personalschlüssels angestrebt. Dieser liegt aktuell bei 1:150. Von Anfang an hatte die Jugendhilfe das Bildungsthema mit im Blick. Dabei ist und war die leitende Perspektive, die Benachteiligung sozialer Gruppen beim Zugang zu Bildung zu mindern. Ein konkretes Beispiel dafür ist die Besuchsquote in Kitas: Obwohl es eine  gute Versorgung mit Kita-Plätzen gab und die Eltern zufrieden mit dem Angebot sind, nahmen es nur 75 % der Familien mit Migrationshintergrund und 95 % der Familien ohne Migrationshintergrund in Anspruch. Gezielte Maßnahmen haben heute die Nutzungsquote des Elementarbereichs durch Kinder mit und ohne Migrationshintergrund mit 92 % und 97 % auf ein vergleichbares Niveau gehoben. Vor diesem Hintergrund wurde das Bildungsthema über die Jahre weiterbearbeitet. Infolge dieser Entwicklung wird seit 2004/05 ein ressortübergreifender Bildungsbericht in Wiesbaden erstellt. Gleichzeitig wurden von der Verwaltung die Chancen, die eine Evidenzbasierung durch Daten bietet, im politischen Steuerungsprozess bewusster wahrgenommen. Zunächst hatte sich die Schulsozialarbeit als professionelles Handlungsfeld etabliert. Daten wurden erst später herangezogen und als Mittel eingesetzt, um mit der Politik Ziele zu vereinbaren und im Gegenzug Finanzmittel bei der Umsetzung projektbezogener Vorhaben, wie z. B. bei der Gestaltung des Übergangs von der Schule in den Beruf, einzufordern.

Auf die Nachfrage von Dr. Rainer Heinz, wie bei einer diffusen Erwartungshaltung an die Wirkung der Schulsozialarbeit Erfolgskriterien gesetzt werden können, weist Heiner Brülle daraufhin, dass sich verschiedene Ziele formulieren lassen: Ergebnisziel sei es z.B., allen Schülern ein systematisches Kompetenz-Entwicklungs-Programm anzubieten und bei den Elterngesprächen möglichst alle Eltern zu erreichen. Diese selbst gesetzten Ziele, werden in Geschäftsberichten regelmäßig veröffentlicht. Daneben gibt es aber auch Wirkungsziele im engeren Sinn. Hier geht es darum, welche Ziele die Politik erreichen will. Das erste Wirkungsziel, das in Wiesbaden  formuliert wurde, war die Reduzierung der Schulabbrecherquote und die der Quote von Abgängern ohne Abschluss um ein Drittel. Dies ist über die Jahre gelungen – nicht zuletzt konnte der große Fortschritt erzielt werden, weil die Werte in Wiesbaden bei Beginn der Zielvereinbarung der Schulsozialarbeit sehr schlecht waren. Aktuell ausgehend von einem höheren Niveau, lassen sich weitere Verbesserungen nur noch schwer erreichen. Allerdings muss man sich im Klaren sein, dass sich direkte Kausalzusammenhänge zwischen verbesserten Schulerfolg und Schulsozialarbeit nicht nachweisen lassen. Dennoch lässt die Entwicklung beim Erwerb von Bildungszertifikaten, deren Entwicklung in Wiesbaden positiver als im hessischen Durchschnitt ausfällt, den Schluss zu, dass es einen positiven Einfluss der Schulsozialarbeit gibt.

Auf Dr. Heinzes Nachfrage, ob dieses (Steuerungs-)Modell auf andere Felder übertragen wurde, erläutert Heiner Brülle, dass aufgrund wissenschaftlicher Befunde die frühkindliche Bildung und Frühförderung insbesondere für benachteiligte Bevölkerungsgruppen eine besondere Bedeutung hat. Als Indikatoren zieht man die Kinder, die im SGBII-Bezug leben und Kinder, in deren Familien nicht Deutsch gesprochen wird, heran und beobachtet die Entwicklung entsprechend und überlegt gleichzeitig welche Bildungsziele sich in diesem Feld wie erreichen lassen, um so den Kindern den Übergang von der Kita in die Grundschule zu erleichtern. Ähnliches wird im Übergang Schule – Beruf praktiziert: Die Arbeit des kommunalen Jobcenters wurde strategisch so ausgerichtet, dass die Integration von Müttern aus Migrantenfamilien  als ein Ziel gesetzt wurde ist. Auch hier sei es so, dass hohe Anstrengungen unternommen werden müssen, um die gesetzten Zielvorgaben zu erreichen.

Für Dr. Rainer Heinz entspricht das in Wiesbaden praktizierte Modell einem geschlossenen Managementkreislauf. Es werden Wirkungsziele formuliert, die Ressourcenverteilung wird miteinbezogen und in der kommunalen Haushalts- und Budgetplanung abgebildet. Bezogen auf diese Zusammenfassung des Moderators weist Heiner Brülle ergänzend darauf hin, dass es sich bei der Arbeit mit Daten in Wiesbaden in erster Linie um einen Verwaltungsansatz handelt, der sich fest etabliert hat und weniger um einen Politikansatz. Die Politik hat die Formulierung von Zielvorgaben noch nicht erfolgreich genug in ihr Handlungsspektrum aufgenommen, so Brülle.

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